ANMERKUNGEN



Warum eine neue Klavierschule, wo es doch schon so viele Klavierschulen gibt?

Im Laufe meiner 26-jährigen Unterrichtstätigkeit als Klavierlehrer entstand bereits vor vielen Jahren die Idee oder der Wunsch, irgendwann einmal eine eigene Klavierschule zu schreiben. Jahrelang habe ich mit verschiedenen Klavierschulen gearbeitet, mal die eine, mal die andere ausprobiert und immer wieder feststellen müssen, dass es Dinge gab, die mich sehr gestört haben. Zwar kann es die „ideale Klavierschule“ kaum geben - auch die von mir geschriebene Schule erhebt diesen Anspruch nicht – aber bei den von mir über Jahre verwendeten Schulen war ich immer wieder mit wichtigen methodischen Problemen konfrontiert:
Warum wird da der Violin- und Bassschlüssel nicht von Beginn an konsequent eingeführt?
Warum wird den Kindern zuerst eine Hilfskonstruktion eines Notensystems beigebracht?
Aus welchem Grund ist es besonders ratsam, mit beiden Daumen auf dem eingestrichenen C zu beginnen?
Was spricht dafür, die Kinder die ersten Stunden nur auf den schwarzen Tasten spielen zu lassen?
Warum muss eine Tonleiter auf den weißen Tasten immer mit dem C beginnen, warum wird sie immer wieder vom C und nicht vom A aus erklärt?
Warum soll es für die Handhaltung besonders förderlich sein, wenn man sich ein halbes Jahr lang in ein oder zwei Fünftonlagen bewegt?
Gibt es wirklich nur die Tonarten C-Dur und G-Dur, selten vielleicht noch F-Dur und D-Dur?

Vor vier Jahren, zu Beginn eines neuen Schuljahres, stand ich wieder einmal vor der Entscheidung, welche Klavierschule ich für die neu beginnenden Schülerinnen kaufen sollte?
Ich kaufte keine sondern schrieb stattdessen jede Woche zwei neue Seiten für meine eigene Schule, die ich auch selbst illustrierte. Bedingt durch das fleißige Üben der Schülerinnen, entstanden so innerhalb eines Jahres 84 Seiten.
Inzwischen sind es 95 Seiten geworden, die zunächst handgeschriebenen Noten wurden durch am Computer geschriebene ersetzt, meine netten aber etwas dilettantischen Illustrationen wichen den liebevollen Illustrationen von Sigrid Herbster.


Zur Konzeption:

Das Heft sollte ansprechend illustriert sein, so dass die Kinder einen positiven Bezug dazu entwickeln und gerne daraus spielen, sich bereits auf die nächste Seite freuen und neugierig werden.
Die Namen der Töne sollten - analog zum Alphabet - vom A beginnend eingeführt werden.
Die Kinder sollen in spielerischer Form zum Wettbewerb mit ihrer eigenen Leistung animiert werden. Dies steigert die Motivation und lässt Freude über das Erreichte aufkommen.
Die SchülerInnen sollen verstehen und wissen, wo sich die musikalischen Begriffe herleiten. Die Grundlagen der Musikkunde sollten in die Praxis integriert werden.
Das Heft sollte talentiertere SchülerInnen so fordern, dass diesen beim Üben zuhause nicht schon nach kurzer Zeit langweilig wird.
In einigen Stücken sind hin und wieder zwei bis drei Takte etwas schwieriger. Diese kann man gemeinsam im Unterricht üben, so dass der Schüler dabei lernen kann, wie man am besten übt.
Die Schule will bewusst machen, aus welchem Tonmaterial die Lieder und Stücke bestehen. So lassen sich mit dem jeweiligen Material immer auch kleine Improvisationen umsetzen, das Üben der jeweiligen Tonleitern hat somit stets einen Sinn.
So bald wie möglich soll der Grundstein für eine gute „handwerkliche“ Basis gelegt werden, auf der dann Zug um Zug eine solide Klaviertechnik aufgebaut werden kann. Aus Erfahrung werden viele bestätigen können, dass es vor allem zum Aufbau der Eigenaktivität von Daumen und kleinem Finger besonderer Aufmerksamkeit und Zuwendung bedarf. So sind z.B. „Treppauf und treppab in der Ritterburg“ und „Die Feuerwehr“ durchaus als kleine technische Übungen zu verstehen.
Das Notenlesen ist immer wieder für einige Kinder keine ganz leichte Angelegenheit. Mit den „Orientierungstönen“ sollen die Kinder sehen, wie sich ein großer Tonumfang - wie der des Klaviers - über zweimal fünf Linien verteilt und wie sich die Noten spiegelbildlich darstellen.
Und da man das Notenlesen nicht oft genug üben kann, Kinder aber gerne zu Spielen bereit sind, gibt es das „Labyrinth“ und den „Notenslalom“.
Die umfangreichen Erklärungen und Texte dieser Klavierschule scheinen Manchem vielleicht zu ausführlich zu sein. Sie sollen jedoch mehrere Aufgaben erfüllen:

Sie sind nicht dazu gedacht, dass jüngere Kinder sie selbständig durchlesen sollen.
Bei der Einführung der Notenwerte war mir wichtig, dass der Zusammenhang mit der körperlichen Wahrnehmung des Pulses / Metrums hergestellt wird, damit Kinder erfahren und spüren, dass Musizieren einem zeitlichen Ablauf unterliegt. Bei den Bezeichnungen der Notenwerte wollte ich nicht erst Hilfswörter einführen, sondern gleich von Beginn an - auf visuell anschauliche Weise - die tatsächlichen Namen erklären.
Neben den Stücken, die ich passend zur jeweiligen Lernsituation geschrieben habe, war mir ein Anliegen, sowohl bekannte Kinderlieder als auch internationales Liedgut in diesem Heft zu vereinen. Neben einfachen Begleitungen mit Quinten sollen aber auch Herausforderungen wie z.B. Begleitungen mit übergreifenden Händen geboten werden.
Nicht zuletzt soll auch in manchen Stücken leichtes polyphones Spiel nicht zu kurz kommen.

Das erste Jahr am Klavier sollte mit positiven und lustvollen Erlebnissen verbunden sein, damit die Freude beim Spielen viele Jahre oder ein Leben lang anhält!